Im Interview mit „Cost & Logis“ spricht Bettenexperte Jens Rosenbaum über Hygiene-Mängel in Hotel-Betten, fehlende Qualität und Möglichkeiten, das Bett in den Fokus des Marketings zu rücken.
Herr Rosenbaum, Sie haben das Buch „Das Hotel-Bett“ auf den Markt gebracht, das auf der ITB 2019 in Berlin erstmals vorgestellt wurde. Wie kam es zu der Veröffentlichung? In einem Fachbuch hat das Thema vorher niemand aufgegriffen. Auch Hotelfachschulen sind bisher nicht wirklich auf das Gäste-Bett eingegangen. Noch vor ein paar Jahren galt es bei den Hoteliers als horizontale Aufbewahrungsfläche für ihre Gäste. Keiner dachte daran, sich über die Qualität der Betten von der Konkurrenz abzuheben. Da wurden Begriffe wie Boxspring in den Mund genommen, ohne zu wissen, was sie eigentlich bedeuten. Und so reifte der Entschluss, ein Buch über das Hotel-Bett heraus- und der Branche damit nahe zu bringen, wie sich mit diesem maßgeblichen Produktionsfaktor umgehen lässt. Es geht um Ergonomie, Hygiene, Wirtschaftlichkeit und grundlegend darum, wie Menschen schlafen, welche Probleme sie damit haben und was die Schlafqualität verbessern kann.
DAS BETT IST DIE KERNLEISTUNG DER HOTELS. SCHLIESSLICH GEHT ES UM ÜBERNACHTUNG. WIRD DIE QUALITÄT DER HOTELBETTEN DEM GERECHT?
Nein, weil das Hotel-Bett in der Regel ein Zufallsprodukt ist. Wir erleben über alle Sterne-Kategorien hinweg, dass es bisweilen überhaupt kein Verständnis für seine verschiedenen Komponenten gibt. Viele Hoteliers legen vor allem Wert auf Optik, Funktionalität und Ergonomie kommen zu kurz. Matratzen werden mit Unterlagen kombiniert, die nicht dazu passen. Manche legen gar ein Brett darunter, freuen sich, dass es schön günstig und einfach ist. Ich will den Hoteliers keinen Vorwurf machen, sie haben es eben nicht gelernt. Im Gegensatz zum Einzelhandel und zu den Unternehmen aus dem Gesundheitswesen, in deren Business das Bett ebenfalls eine zentrale Rolle spielt. Diese Firmen haben sich viele Gedanken gemacht, investiert, um das Optimum für ihre Kunden beziehungsweise Patienten herauszuholen. Die Hotellerie fällt im Vergleich zurück.
BOXSPRING ODER KONVENTIONELL SCHAUM PLUS LATTENROST – GIBT ES EINE PATENTLÖSUNG?
Die gibt es grundsätzlich nicht. Sowohl das Boxspringbett, bei dem zwei federbasierte Systeme kombiniert sind, als auch die konventionelle Lösung, bei der eine Schaummatratze auf einer aus Latten bestehenden Unterfederung liegt, können gut oder schlecht sein. Entscheidend ist in beiden Fällen die Qualität, die man einkauft. Beide Varianten lassen sich für kleines Geld erwerben, halten dann zumeist aber nicht lange und taugen nicht viel. Meine Empfehlung: Gehen Sie nicht unter einen bestimmten Mindestpreis! Investieren Sie lieber mehr Geld, denn auf die Nacht heruntergerechnet macht das nur Cent-Beträge aus.
WER SICH EIN BETT FÜR DAS EIGENE ZUHAUSE KAUFFT, DER SCHLÄFT SELBER DARAUF, IN EINEM HOTELZIMMER ÜBERNACHTEN PRO JAHR ABER HUNDERTE VON PERSONEN, WIE SOLL DAS EINE BETT GESCHAFFEN SEIN, WENN ES FÜR ALLE GÄSTE DAS RICHTIGE SEIN SOLL?
Das ist durchaus möglich. Es gibt mittlerweile verschiedene Hersteller, die flexible Unterfederungen anbieten, also solche, die sich vom Gast auf seine individuellen Bedürfnisse einstellen lassen. Auf diese Weise lässt sich der gefühlte Härtegrad der Matratze variieren, auch wenn die Matratze ein und dieselbe bleibt. Solche Systeme bietet der Einzelhandel längst an, die Hotellerie greift das aber leider nicht auf.
WIE IST ES DENN UM DAS THEMA HYGIENE IM HOTELBETT BESTELLT?
Schlecht. Natürlich wird die Bettwäsche nach jedem Gästewechsel professionell gereinigt. Das reicht aber nicht, um das Bett sauber zu halten. Kissen, Decke, Matratze und Unterfederung müssen ebenfalls in einwandfreiem Zustand gehalten werden. Und an dieser Stelle gibt es die größten Mängel. Für die Küche gibt es Hygiene-Standards, das Bad wird mit großem Aufwand gereinigt. Für das Bett gilt das nicht. Dabei wächst das Bedürfnis der Menschen nach Hygiene stetig. Grundsätzlich lässt sich sagen: Boxspring-Systeme sind schwieriger sauber zu halten, weil die einzelnen Komponenten unzugängliche Hohlräume haben. Was man dort teilweise findet, ist abenteuerlich. Hygiene-Richtlinien oder -Werte gibt es bisher nicht, keiner kümmert sich darum. Im Gegensatz zur Bettwäsche, die zunehmend an externe Profis abgegeben wird, textile Dienstleister, die Wäsche vermieten und in einem hygienisch einwandfreien Zustand halten. Wer die Hygiene untersucht und Proben unterhalb des Hotelbettlakens macht, ermittelt in der Regel in- diskutable Werte. Weil die Gegenstände dort über längere Zeiträume nicht gereinigt werden. Und so reichern sich die Hotelbetten nach und nach mit Keimen an. Das erreicht gesundheitsgefährdende Ausmaße und gilt auch für die Matratzenschutzbezüge, sogenannte Encasings. Was da zutage tritt, ist alarmierend.
SIND HOTELBETTEN EIN GESUNDHEITSRISIKO FÜR DIE GÄSTE?
In vielen Fällen trifft das zu. Weil wir es mit einer Kontroll-Lücke zu tun haben, mit einem Systemfehler. Ich wohne im Jahr 30 bis 50 Mal im Hotel und nehme Proben. Bei rund der Hälfte der Matratzen, Kissen und Decken entdecke ich auf den ersten Blick Flecken. Die
Hotelmitarbeiter, auf das Problem angesprochen, antworten zum Beispiel so: „Das Housekeeping ist schon zu Hause.“ Reserve-Decken gebe es aus Kostengründen auch nicht. Dabei offenbart sich: Die Branche ist auf die Hygiene-Problematik nicht vorbereitet.
WAS MUSS PASSIEREN?
Das Bewusstsein, in den Produktionsfaktor Bett und seine Pflege zu investieren, muss wachsen. Es muss ein Kontrollsystem aufgebaut werden. Das Housekeeping braucht mehr Zeit, um die Hotel-Betten so zu reinigen, dass unter hygienischen Gesichtspunkten nichts zu beanstanden ist.
DAS HOUSEKEEPING WIRD ABER IMMER HÄUFIGER AUSGEGLIEDERT, DER ZEITDRUCK IST IMMENS, WIE SOLL DAS FUNKTIONIEREN?
Schwierig. Ich bin überzeugt davon, dass die Flecken vom Housekeeping-Personal gesehen werden. Angesichts des Zeit- und Kostendrucks wird aber nichts unternommen. Ohne Investment wird es nicht gehen.
WER GELD IN DIE HAND NIMMT, KÖNNTE FÜR DIE QUALITÄT SEINER BETTEN WERBEN UND SICH DAMIT VON DER KONKURRENZ ABHEBEN.
Zumal es bei der Hygiene eine kontinuierliche Entwicklung gibt. So wie das saubere Bad in den Fokus gestellt wird, wie es Hygiene-Standards in der Küche gibt, so sehe ich das auch für das Bett kommen. An vielen Hotelstandorten der Republik herrscht angesichts der Angebotsentwicklung Verdrängungswettbewerb, der zulasten der Durchschnittsraten geht. Bett- und Schlafqualität wäre in diesem Umfeld ganz sicher ein starkes Argument, um dem entgegenzuwirken.
WAS MACHT EIN GUTES BETT AUS?
Die Materialien sollten atmungsaktiv, humanverträglich, also Oekotex-zertifiziert, und reinigungsfähig sein. Aber die Branche macht leider einen Bogen darum. Der Teppichboden im Hotelzimmer ist oft sauberer als die Matratze. Auf Gästefragebögen wird nach vielen Dingen gefragt, aber nur ganz selten nach dem Bett.
IST DEN GÄSTEN DAS BETT DENN ÜBERHAUPT WICHTIG?
Bei allen Befragungen zu diesem Thema, zum Beispiel im Rahmen einer aktuellen Forsa-Studie, liegen die Bett- beziehungsweise Schlafqualität nach der Hygiene an zweiter Stelle der Gästebedürfnisse. Kein Wunder: Schließlich suchen die Menschen ein Hotel auf, weil sie dort übernachten wollen. Deshalb wären sie den Studien zufolge auch bereit, mehr Geld für ein besseres Bett auszugeben. Und für eines, das sauber ist. Derzeit ist das Hotel-Bett oft schmutziger als die Toilettenbrille.
Jens Rosenbaum