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Hotelier – Die CO2 Bilanz retten?

15.04.2023

Hotelier – SCHLAFEN / DAS HOTELBETT (Teil 1/3)

carpe noctem – Chancen verschlafen oder endlich aufwachen? Von Jens Rosenbaum

Bild (Quelle): Hotelier.ch
Bild (Quelle): Hotelier.ch

Ein Blick auf die Hotellerie zeigt, dass dort das Zitat von Quintus Horatius Flaccus «carpe diem» (Nutze den Tag) in Vollendung verstanden wird. Tagsüber wird dem Gast eine Fülle von Leistungen geboten und darüber auch das Profil eines Hotels definiert. Aber was ist mit der Nacht, «noctem»? Jene Zeit, wo der Gast, zwischen Ein- und Auschecken, horizontal gelagert wird. Hierzu braucht es logischerweise das Bett, denn ohne Betten, keine Gäste. Aber gerade, weil das „ema Hotelbett auf den ersten Blick so banal klingt, wird schnell übersehen, welche Potenziale im Hotelbett schlummern.

Welcher Hebel sich dort für viele Herausforderungen der Hotellerie verbirgt, auch und gerade für aktuelle. Neben dem hoch- aktuellen „ema Nachhaltigkeit sind dies unter anderem das Dauerthema Kosten und, wie könnte es anders sein, die ewige Frage nach dem optimalen Schlafkomfort. Obwohl Letzteres ja die Kernleistung der Hotellerie betrifft, ist dies bei nicht wenigen Hotels im Laufe der Zeit leider zur Nebensache verkommen und daher im Ergebnis für den Gast oft nur noch grenzwertig.

Jens Rosenbaum *
Jens Rosenbaum *

Die CO2-Bilanz retten

Das gekürzte Zitat von Giacomo Girolamo Casanova (1725–1798) «Wer schläft, sündigt nicht …» stammt aus einer Zeit, wo noch niemand ahnen konnte, dass das kurz zuvor von Hans Carl von Carlowitz (1645– 1714) begründete Prinzip der Nachhaltigkeit eines Tages keinen Bereich des Lebens mehr auslassen wird. Eines Tages ist nun heute und selbst der Schlaf wird jetzt daraufhin abgeklopft, ob nachhaltig gehandelt wird. Zum Massstab ist dabei die chemische Formel CO2 geworden. Erst durch sie lässt sich quantifizieren und somit vergleichen, welche Massnahmen und welche Produkte den geforderten Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Kreislaufwirtschaftsfähigkeit, nachhaltige Produktnutzung und Vermeidung von Einweg-, respektive Wegwerfartikeln sind dabei die Zauberwörter. Um hier mit den Anforderungen Schritt zu halten, braucht es nicht nur ein Umdenken, sondern oftmals auch einen Bruch mit alten Gewohnheiten, verbunden mit einer Verhaltensänderung bei Kauf und Nutzung.

Mit CO2 im Bett

Sehr viel CO2-Potenzial schlummert dabei eben auch im Hotelbett, und wer gerade an seiner CO2-Bilanz arbeitet, sollte daher mal einen prüfenden Blick unter die Bettdecke werfen. Nur um die Dimension zu verdeutlichen: In der Beherbergungsbranche der Schweiz, mit ihren aktuell circa 4000 Betrieben, befinden sich ungefähr 500 000 Matratzen im Einsatz, umgerechnet auf ein 80/90×200 cm Format. Jede dieser Matratzen kommt, im Rahmen der Herstellung, mit einer Belastung von durchschnittlich circa 60 Kilogramm CO2 daher. Nach durchschnittlich fünf bis acht Jahren wird bislang eine Hotelmatratze ersetzt. Ersetzt durch eine neue Matratze, die wiederum mit 60 Kilogramm CO2 die Umwelt belastet hat, zuzüglich ungefähr 9 Kilogramm CO2, die durch das Verbrennen der alten Matratze anfallen, denn diese werden auch in der Schweiz, nicht zuletzt aus hygienischen Gründen, thermisch verwertet.
Aber thermisch verwerten, also verbrennen, bedeutet auch die unwiederbringliche Vernichtung von wertvollen Ressourcen. Und die Rückgewinnung von Energie, die gerne gegengerechnet wird, um den CO2-Ausstoss weniger dramatisch aussehen zu lassen, hat die Schweiz gar nicht nötig. Anders als zum Beispiel in Deutschland ist der hiesige Energiemix bereits zu über 80 Prozent klimaneutral. Das Verbrennen von Müll ist daher nur eine Verlegenheitslösung, mit der man sich, so ganz nebenbei, völlig unnötig die Klimabilanz verschlechtert.

Dauerhaftigkeit und Hygiene

Aber das war und ist die bislang übliche Praxis, was bedeutet, dass bei circa 80 000 pro Jahr zu ersetzenden und gleichzeitig zu entsorgenden Matratzen die Hotellerie der Schweiz die Umwelt mit umgerechnet 5000 Tonnen CO2 belastet. Hat ja bislang auch niemanden interessiert, denn bislang musste ja auch noch niemand seine CO2-Bilanz retten. Aber warum wird denn überhaupt nach fünf bis acht Jahren eine Hotelmatratze entsorgt? Hält die nicht auch länger? Länger halten schon, eine vernünftige Qualität vorausgesetzt, aber da ist ja die Sache mit der Hygiene.
Hunderte von Gästen, die so eine Matratze im Laufe der Jahre beehren (je nach Auslastung und Verweildauer ist diese Zahl auch vierstellig), nehmen ja nicht nur Souvenirs mit, sie lassen auch etwas zurück. Und da helfen weder Bettwäsche noch Matratzenschutz. Wer die Praxis kennt, weiss um die wachsende Verunreinigung einer Matratze im Laufe der Jahre. Aber nun die Gretchenfrage, um auch noch den guten alten Johann Wolfgang von Goethe in diesem Artikel zu erwähnen: Warum schmeissen wir etwas weg, nur weil es schmutzig ist? Werfen Sie die Teller in den Müll oder das Glas in den Container, nur weil jemand davon gegessen oder daraus getrunken hat? Verbrennen Sie etwa Bettwäsche, nachdem der Gast darin geschlafen hat?

Matratzen waschen

Warum werden Matratzen nicht gewaschen? Mit dem Waschen der Matratze würden diese 15 und mehr Jahre ihren Dienst versehen. Am Ende wäre zudem ein Recycling möglich, da das Waschen eine Hygienisierung des Materials bedeutet. Auf diese simple Weise liesse sich nicht nur das unnötige Verbrennen wertvoller Ressourcen vermeiden, sondern, durch eine nachhaltige, weil längere Produktnutzung, auch die Zahl neu herzustellender Matratzen reduzieren.
Das wird der Zulieferindustrie nicht schmecken, denn die lebt ja vom Verkaufen. Aber, wie auch in anderen Bereichen, es gibt nun mal keinen Bestandsschutz für alte Gewohnheiten. Es braucht neue Lösungen und die Hotellerie ist in der Pflicht, sofern wirtschaftlich vertretbar, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Auf diese simple Weise würde ein Hotel mit durchschnittlich fünfzig Zimmern bis zu einer Tonne CO2 im Jahr einsparen können, worüber sich sicherlich jede CO2-Bilanz freuen würde. Das Zitat von Casanova «Wer schläft, sündigt nicht. Wer vorher sündigt, schläft besser» hat auch heute noch seine Gültigkeit. Nur ist heute eine neue Dimension dazugekommen, die uns eben nicht mehr so gut schlafen lässt, wenn wir uns durch Unterlassung an der Umwelt, und damit an uns selbst, versündigen. Aber in der Matratze findet sich nicht nur ein CO2-Potenzial, da steckt auch Geld. Wie viel, das erfahren Sie in Teil 2 der Artikelserie.

* Jens Rosenbaum ist Journalist, Verleger, Hotelbetten- Tester und Betreiber der Plattform hotel-betten-check.com. Er verleiht zusammen mit Fachmedien die Betten-Awards für Green-, Clean- und Smart-Sleeping.

Das Schweizer Fachmagazin für die Hotellerie
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Eine Leistung für Hotels von Schlafen Spezial - Hotel-Betten-Award
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